Sunday, July 26, 2015

Teil 2: Kompromiss

In erster Linie möchte ich mich ausdrücklich für eure zahlreichen und wertvollen Kommentare bedanken!
Mir ist aufgefallen, dass viele mit Problem konfrontiert sind sich eingeschränkt zu fühlen, sobald sie sich entscheiden alltagstaugliche Kleidung anzufertigen. Aber sich von den schmucken Schrankleichen abzuwenden muss nicht heißen, dass man auf komplexe Techniken und Anspruch verzichten muss!

Heute möchte ich eine Ausnahme (normalerweise zeig ich alles erst wenn es fertig ist, und dann an mir) machen und eine der möglichen Lösungen dafür zeigen, wie man Nähtechniken + Schnitte + Mode + Tauglichkeit verbindet.
Ich frage mich die ganze Zeit: Kann man denn die Techniken, die man kennen lernen möchte, auch an alltagtauglicher Kleidung ausüben? Meine persönliche Antwort darauf ist "aber JA"!

Hier ist mein Beispiel.
Eigentlich wollte ich ein Chanel-Jackett mit  einer Haute Couture Methode (d.h. komplett per Hand) nähen, vor allem per Hand das Futter durchsteppen.
Da ich aber ganz dringend ein Jackett gebraucht habe und mir dachte, dass ich das ganz schnell hinbekommen könnte, beschloss ich, dass ich semi-Haute Couture  daraus mache.
Ich nahm einen Burdaschnitt dafür, den ich noch gar nicht kannte. Der Stoff lag bei mir schon bereits länger vorrätig und wartete auf seinen großen Auftritt. Ich beschloss keine Steppung zu machen, dafür aber eine japanische Methode des Futterannähens bei den Ärmeln anzuwenden.
Gleichzeitig wollte ich dennoch die Chanel-Methode des Einsetzens der Ärmel ausprobieren.
Als das Jackett fertig war, fand ich es zu nackig und machte die Borte nach Burda-Anleitung.
Als Die Borte angesteckt war, fand ich sie 'too much'. Mit weniger Borte sah das wieder nackig aus.
Ich reduzierte den Verlauf der Borte und beschloss Haute Couture hinzufügen, indem ich mehrere Wochen lang die Perlen nach damals frisch erworbenen Kenntnissen angebracht habe.
Für die,die neugierig sind
habe ich die Vielfalt der benutzten Perlen fotografiert.



























Eine Kette innerhalb des Jacketts  musste ich letztendlich auch anbringen, weil sie da nicht für die Schönheit gedacht ist, sondern als Balance zu dem Gewicht der Perlen.
Leider kein Foto erstmal.

Und eigentlich ist das Jackett für meine heiß geliebte Boyfriend-Jeans, die ich mit einem weißen T-Shirt tragen möchte, genau wie hier
Meine Meinung nach man muss sich gar nicht entscheiden. Man kann die simpelsten Schnitte aufwendig verarbeiten, Haute Couture zusammennähen, per Hand beschmücken und dennoch im Alltag tragen.
Wenn ich mich für tragbare Kleidung entscheide, die ich nähe, muss ich auf nichts verzichten.

 Oder seht ihr das anders?

Friday, July 24, 2015

Nähen: Nutzen kontra Zeitvertreib

Ich möchte mit diesem Post zum Nachdenken anregen...
Bei mir war das ein jahrelanger Prozess bis ich begriffen habe, was ich eigentlich nähen soll.

Vor einigen Jahren stand ich mit meiner Bekannten im Stoffladen und wir sprachen darüber, was sie und ich nähen sollten, bzw, wollten. Sie sagte mir "Wo willst du das dann tragen und vor allem wann?" Sie hat schon lange damit aufgehört alles zu nähen was ihr gefiel, sondern sie näht nur das, was zu ihrem Leben passt.

Viele Hobbyschneiderinen nähen alles, wozu sie Lust haben bis klar wird, dass sie letztendlich immer zu den selben 2-3 Teilen greifen und alle restlichen Kleider ungetragen bleiben.
Zum einem haben viele das Problem, dass sie einfach ein bestimmtes Modell nähen oder haben wollen.
Mit der Zeit stellen die meisten jedoch fest, dass sie dutzende Teile im Schrank haben, aber nichts,was zusammen passt. Dabei  ist  das Farbproblem das kleinste Übel. Meist haben die Teile  verschiedene Stile und können somit nicht miteinander kombiniert werden. Sie füllen lediglich Schränke. Sie sind schön, neu und man kann sie unmöglich weggeben, geschweige denn wegwerfen - schließlich haben wir sie mühsam und liebevoll in Handarbeit angefertigt.

Vielleicht ist manchen aufgefallen, dass ich aufgehört habe Vintage zu nähen?
Es liegt nicht daran, dass ich Vintage nicht mehr mag.
Meine Feststellung in diesen Hinsicht war, dass Vntage nicht in mein Leben passt.
Ich möchte keine Schrankleichen mehr!
Mein Leben bietet kaum Gelegenheiten, um Vintage-Kleidung zu tragen.

Irgendwann hab ich eine Analyse meiner Projekte gemacht:
Ich ging durch meine Gallerie der Projekte und machte zu allen Modellen Bemerkungen, wie oft ich diese getragen habe. Man bekommt ziemlich schnell ein klares Bild davon was geht und was nicht.
Somit habe ich festgestellt, dass ich mit Ausnahme von ein Paar Sommerkleider, gar keine Kleider brauche. In meinem Alltag haben sich die Hose und Jeans bestens bewährt und durchgesetzt. Die beste Garnitur dazu sind Blusen- bequem, praktisch und sehen immer  gut aus, besser als Shirts aus Jersey. Blusen machen immer einen gepflegteren Eindruck.

In meinen Kursen versuche ich den Teilnehmerinnen oft "Kleider nähen" auszureden, wenn ich sehe, dass sie eigentlich nie ein Kleid anhatten! Ich predige immer die Kleidung zu nähen, die zu deren Lebenstil passt.

Man könnte ab und zu (so sagen's die Russen) "für die Seele" etwas  Schönes, "unpraktisches"  nähen. Man würde damit auch keinen Schaden anrichten, indem der Schrank damit vollgestopft wird,weil es eher eine Ausnahme sein wird.

Auch der Stress alles nähen zu wollen, was einem gefällt, geht dann weg, wenn die Nähpläne objektiv nach Tauglichkeit analysiert.

Und nun...
wie realistisch ist eure genähte Garderobe?